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Älteste Darstellung der Wilhelmsburger Mühle um 1680. Vergrößerter Ausschnitt aus der Karte von J.R. Schildknecht (U.B. Göttingen)


Die vierte Windmühle (1813-1874)


Partie an der Windmühle von 1927.

Ein Blick in die Vergangenheit...

An einem traditionsreichen Platz, dem Standort von vier Vorgängermühlen, deren letzte 1874 abbrannte, wurde bis 1875 die noch bestehende Windmühle im Auftrag des Wilhelmsburger Müllers Christoph Cordes durch den Baumeister F. Dobbertin aus Boizenburg als Galerieholländer wiedererrichtet. Es folgten bis in die 1930er Jahre zahlreiche Besitzerwechsel, bis die geradezu heruntergewirtschaftete und in einem desolaten Zustand befindliche Mühle 1935 von Erwin Sievers übernommen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war nicht nur die Windrose defekt, auch zwei Flügel waren unbrauchbar und mussten abgenommen werden, so dass die bis 1945 nur mit einem Flügelpaar laufende Windmühle einen skurrilen und ungewohnten Anblick bot.

Erwin Sievers und seine Ehefrau Johanna, die spätere Namensgeberin der Windmühle, stellten die Windmühle wieder her und istallierten einen Elektromotor, mit dem zwei Mahlgänge wahlweise mit Wind oder Strom angetrieben werden konnten. In der Mühle wurden Futterschrot für Kühe und Schweine (aus Hafer, Gerste, Erbsen und Bohnen), Backschrot (Type 1800) aus Roggen für Schwarzbrot sowie Weizen- und Roggenflocken hergestellt. Zu Sievers Kunden gehörten neben den Wilhelmsburger Bauern auch Spediteure (mit Pferdefuhrwerken) und eine Brotfabrik. Bei den Herbststürmen des Jahres 1939 wurde ein Teil der umlaufenden Galerie heruntergerissen, auch die erneuerte Windrose wurde beschädigt. Sievers ließ die Mühle für 83,08 RM instandsetzen und erhielt auf Anfrage beim Denkmalschutzamt einen Zustschuss in Höhe von 40,- RM. Zusammen mit dem gegenüberliegenden Fachwerk-Müllerhaus wurde die Windmühle am 4. Juni 1941 durch das Denkmalschutzamt Hamburg-Altona zum "Technischen Kulturdenkmal" erklärt und in die Denkmalliste eingetragen. Ein Bombenangriff am Osterfest 1945 beschädigte die beiden verbliebenen Jalousieflügel derart, dass sie abgenommen mussten und die Mühle nur noch mit dem Elektromotor angetrieben werden konnte.

Ab 1953 wurde die Windmühle wiederhergestellt und erhielt durch die Firma Pätzmann aus Winsen/Luhe als Ersatz für die zerstörte Windrose die Windrose der abgerüsteten Bardowicker Windmühle. Im Rahmen eines großen Volksfestes wurden am 13. November 1955 wieder Jalousieflügel an der Windmühle angebracht, so dass die Mühle nicht nur optisch wieder den gewohnten Eindruck besaß, sondern auch mit Windkraft funktionsfähig war. Insgesamt wurden etwa 25.000 DM in die Wiederherstellung der Windmühle investiert, die zum Großteil vom Denkmalschutzamt übernommen wurden.

Nach fünf Jahren wurde die Windmühle schließlich am 15. Januar 1961 stillgelegt, da Erwin und Johanna Sievers keinen Nachfolger für den Mühlenbetrieb finden konnten. Die Windmühle verkauften sie für 30.000 DM am 12. April 1961 an die Freie und Hansestadt Hamburg. Im Laufe der Zeit wurde die Mühle von der Sprinkenhof AG, die den gewerblichen Hamburger Grundbesitz verwaltete, an verschiedene, häufig wechselnde Firmen, die das Innere der als Lager oder Büroraum genutzten Windmühle durch Umbauten und durch die Verschrottung wesentlicher Teile der Mühlentechnik stark beeinträchtigten, vermietet. Im Jahre 1988 erhielt die Windmühle neue Flügel, die als Segelgatterflügel gestaltet waren und somit nicht mehr dem ursprünglichen (und denkmalgerechten) Erscheinungsbild der Mühle entsprachen.
Schließlich erwarb der WIlhelmsburger Windmühlenverein e. V. am 1. Mai 1997 für 30 Jahre das Erbbaurecht an der Windmühle, die bis 1998 mit einem Kostenumfang von rund 500.000 € instandgesetzt wurde. Zudem erhielt die Mühle ein neues Reetdach auf dem Achtkant. Die Restaurierung der Mühle war am 1. Juni 1998 soweit vorangeschritten, dass die Mühle im Leerlauf mit Windkraft drehen konnte. Am 30. September 1998 konnte erstmals nach 37 Jahren wieder mit Windkraft Getreide geschrotet werden. Eine besondere Bedeutung erhielt die Windmühle 1999 als hier, stellvertretend für das Bundesland Hamburg, die offizielle Eröffnungsveranstaltung zum 6. Deutschen Mühlentag am 24. Mai 1999 stattfand.

Die letzte Müllerin, Johanna Sievers, geboren im Jahr 1904, konnte die positive Entwicklung der Mühle seit der Übernahme durch den Wilhelmsburger Windmühlenverein noch miterleben und auch mitgestalten. Bei der Wiederinbetriebnahme der Mühle am 1. Juni 1998 wurde diese auf den Namen „Johanna“ getauft. Johanna Sievers wurde einige Zeit später auch als Ehrenmitglied in den Verein aufgenommen. Sie verstarb im September 2004, kurz vor Vollendung ihres 100. Lebensjahres, in ihrem kleinen Haus unmittelbar neben der Mühle.


Mühlen-Geschichte im Überblick

Die Kornwindmüllerei kann auf eine über 400jährige Tradition zurückblicken. Die heutige Windmühle an der Schönenfelder Str. 99 a ist die fünfte Windmühle dort in Folge.

Erste Windmühle (1585 - 1705)

1585, gegen den Willen Herzog Otto II. von Braunschweig und Lüneburg in Harburg, der seine ohnehin geringen Einnahmen damit weiter schwinden sah, errichtete Ritter Otto X. Grote eine Bockwindmühle auf der Insel Stillhorn (Mit der Zusammendeichung von Stillhorn und den Nachbarinseln Reiherstieg-Rotehaus und Georgswerder  entstand im Jahre 1672 die (Gesamt-)Insel Wilhelmsburg.

Zweite Windmühle (1705 - 1718)

1705 wurde die baufällige Mühle abgerissen und eine neue Bockwindmühle dort errichtet.
Diese fiel 1718 einem Feuer zum Opfer.

Dritte Windmühle (1719 - 1813)

1719 erfolgte der Wiederaufbau der Bockwindmühle.
Eine Reihe von Müllern hatten in den folgenden Jahrzehnten die Mühle im Besitz. Als am 5. Januar 1807 Henning Cordes die Mühle erwarb, sollte dies jedoch der Beginn einer über 100jährigen Müllertradition werden.
Am 9. März 1813 brannten die napoleonischen Truppen bei der Belagerung Hamburgs Mühle und Müllerwohnung nieder. Das gleiche Schicksal ereilte die Mühlen auf der Veddel, in Ochsenwerder und Billwerder.

Vierte Windmühle (1814 - 1874)

Ab Dezember 1814 begann der Neubau einer Mühle. An Stelle der bisherigen Bockwindmühle wurde erstmals eine Galerie-Holländer-Mühle gebaut, die Ende 1815 fertiggestellt war.
Im November 1830 heiratete Christoph Cordes, Sohn des verstorbenen Henning Cordes, die Tochter eines Hofbesitzers an der Kornweide. Am 11. März 1840 wurde ihr Sohn Johann Wilhelm geboren, der spätere Schöpfer des weltbekannten Ohlsdorfer Friedhofes, dessen Direktor er von 1879 bis zu seinem Tode im Jahre 1917 war.
Am 24. Oktober 1874 um drei Uhr in der Frühe fing die Mühle im oberen Teil Feuer und brannte nieder.

Fünfte Windmühle (Seit 1875)

Müllermeister Christoph Cordes ließ umgehend eine neue Mühle errichten. Sie wurde 1875, wiederum als Galerie-Holländer, fertiggestellt.
Christoph Cordes starb 1886. Vier Jahre nach seinem Tode übernahmen seine Tochter Marie Auguste und ihr Ehemann, Karl Blohm, 1890 die Mühle. Sie betrieben die Mühle bis zum Konkurs 1907.
Nach einigen weiteren Eigentümerwechseln erwarb am 1. Juli 1935 Müllermeister Erwin Sievers das „äußerst verwahrloste Unternehmen“. Die Mühle befand sich in einem schlechten Allgemeinzustand. Die Windrose war defekt und zwei Flügel waren unbrauchbar geworden. Die Flügel mussten 1935 abmontiert werden und so lief die Mühle bis 1945 mit nur einem Flügelpaar.
Erwin Sievers war der letzte Müllermeister auf der Wilhelmsburger Mühle. Er fand keinen geeigneten Nachfolger und verkaufte die bereits 1941 als technisches Kulturdenkmal unter Schutz gestellte Windmühle am 12. April 1961 an die Freie und Hansestadt Hamburg.  Die Verwaltung übernahm die für den hamburgischen Grundbesitz zuständigen Sprinkenhof AG.

In der Zeit zwischen 1962 und 1996 musste die zum „Gewerbeobjekt degradierte“ Mühle verschiedene Mieter und Nutzungen über sich ergehen lassen. Die Folgen waren der Verlust - oft unwiederbringlicher - Gegenstände und Bauteile der technischen Einrichtung und der allgemein baufällige Zustand.
Mit Wirkung vom 1. Mai 1997 hat der Wilhelmsburger Windmühlenverein e.V. für 30 Jahre das Erbbaurecht an der Mühle erworben. Der gemeinnützige Verein hat die Mühle von 1997-1998 und ergänzend 2000 mit einem Gesamtaufwand von rd. 500.000,- € vollständig restauriert und unterhält das denkmalgeschützte Gebäude.
Anlässlich der Wiederinbetriebnahme der Mühle im Rahmen des 5. Deutschen  Mühlentages 1998 wurde die Mühle erstmalig in ihrer Geschichte getauft. Sie trägt seitdem  den Namen Johanna. Namensgeberin und Taufpatin ist die 1904 geborene letzte Müllerin, Frau Johanna Sievers.
Eine besondere Bedeutung erhielt die Windmühle 1999  als hier, stellvertretend für das Bundesland Hamburg, die offizielle Eröffnungsveranstaltung zum 6. Deutschen Mühlentag am 24. Mai 1999 durchgeführt wurde.
Seit April 1999 wird die Mühle regelmäßig geöffnet. Im Erdgeschoss befindet sich das Mühlencafé. An den Öffnungstagen gibt es weitere Veranstaltungen, wie z.B. das „Slachtfest an der Möhl“, einen Ostermarkt, das Mühlenfest zum Deutschen  Mühlentag oder Bilderausstellungen.


  • Hier können Sie eine Langfassung der Mühlengeschichte als PDF-Download herunterladen.

 

Die Flügel der Mühle sind zerstört. Von 1935 bis 1945 lief die Mühle mit zwei Flügeln.


Festakt zur Wiederbeflügelung der Mühle 1950.


So sieht die Mühle heute aus. Aufnahme von 2012.